Neues Deutsches Heer = NDH
Mörderfelsen, Buch Wandelwelten
Vom Beginn eines neuen Kapitels.
Die Augen für Alternativen weit geöffnet.

Auszug aus Mörderfelsen. Karl-Franz vonVelden, Offizier ab der ersten Stunde, bildet sich über die Jahre sein eigenes familiäres Umfeld aus. Engagiert die ersten Frauen in seinem Einflussbereich, verpflichtet die ersten jungen Männer von der Straße, die anfänglich noch in der Bundeswehr, dann überleitend im Neuen Heer, eine Überlebenschance für sich suchen. Die Welt wird immer härter. Dir bleiben nicht mehr viele Möglichkeiten, anständig und aufrechtzubleiben. Die Polizei versucht ihrerseits mit ähnlichen Angeboten zu locken, verfügt aber nicht über die Möglichkeit auch Jüngeren Unterschlupf anzubieten, was das NDH schon recht bald leisten kann. Somit kassieren sie nochmals deutlich mehr Straßenkinder ein, die über Potenzial verfügen, aus dem man etwas Brauchbares formen kann. Denn um nichts anderes geht es. Dir Soldaten aus Lehm zu formen, ihnen deinen Geist einzuverleiben, sie zu deinen dressierten Affen auszubilden. Zu dankbaren, geduldigen, treuen Schimpansen in deinem Hintergrund. Macht, die du andernorts so schnell nicht formieren kannst, aber im Dreck der Straße findest. Allerdings finden Syndikate schnell heraus, dass man auf diesem Weg seine Spione günstig dort einschleusen kann, wo sie einem auf lange Sicht Vorteile verschaffen. Darum werden Mitte 1965 die sogenannten »Durchläufer« formiert. Eine im Anfang noch völlig unstrukturierte Truppe von Militäranwärtern, die durch die Einheiten, die gerade über freie Ausbildungskapazitäten verfügen, durchgeschleust werden. Sie erhalten weder einen Vertrag noch Vergütung, werden zu harter Arbeit verpflichtet und erhalten im Gegenzug Kleidung, Essen, ein Dach über dem Kopf und eine grundlegende Ausbildung. Damit, also rein mit diesem Grundbaustein ausgestattet, der zwischen sechs Monaten und vier Jahren angesetzt ist, kannst du, hältst du es durch, wieder Zugang zur Gesellschaft finden. Du hast gelernt, dich diszipliniert zu geben, kannst lesen und schreiben, bist einigermaßen gut informiert, hast mehrere Handwerke im Groben kennengelernt und kannst Zeugnisse, ob deiner besonderen Gaben vorzeigen. Bist im Idealfall sogar sprachgewandt, bürokratisch und technisch versiert. Und du verfügst am Ende über gültige Papiere. Alles aber nur, hältst du die Schikanen, Provokationen, die Prügel und Ungerechtigkeiten aus, die dir absichtlich verabreicht werden. Um dich abzuhärten, deinen Überlebenswillen zu steigern, die Starken von den Schwachen abzusondern, die Sonderbefähigten für sich selbst sicherzustellen, bevor die Behörden in der Stadt darauf zugreifen können. Aber beim Militär kann man Widerspruch und Rebellentum nicht dulden, kann Andersdenkende nicht gebrauchen. Auch Speichellecker nur bis zu einem gewissen Grad unterbringen. Ohne, dass deine Absicht zu offensichtlich wird. Somit versucht man zu brechen, was nicht freiwillig aufgeben will oder uneinsichtige Querulanten zu verscheuchen. Und andere will man sich so umerziehen, dass sie nutzbar werden. Dir aus der Hand fressen und trotzdem klug agieren. Ohne ständige Kontrolle zu benötigen… Während deines Überlebenskampfs als Durchläufer wirst du an jedem ersten Tag in einer neuen Einheit darüber befragt, wie es bisher verlief. Daraus resultierend bildet man Bewertungen. Denn die Einheiten geben, wesentlich konkreter gefragt, ebenfalls Stimmen dazu ab, ob sie Ersie wiedersehen möchten. Manchmal entscheidet eine Einheit auch recht schnell, dass eine bestimmte Person direkt einen Probevertrag erhalten könne, sollte sie wollen. Karl-Franz vonVelden kann damit in mehreren Fällen verhindern, dass die Jungen und Mädchen gebrochen werden. Er hält seine Hand schützend über sie und stärkt sie, indes er ihnen ein Gefühl für Familie bietet. In der rauen Welt des Militärs völlig absurd im Ansatz und deshalb schnallt das so schnell keiner und als die ersten diesbezüglich Verdacht schöpfen, hat er seine Mannschaft schon derart gut abgeschirmt, dass niemand ihm etwas nachweisen kann. Seine Jungs und Mädels halten absolut felsenfest zu ihm, sind bereit für jedwede erforderliche Lüge, ihn und sein Bestreben abzusichern und damit genauso ihr eigenes Leben an seiner Seite. Leute, die einmal bei ihm landen dürfen, also oben in den Offiziersrängen, wollen auch nie wieder gehen. Sie kleben an ihm dran, voller Vertrauen, wie sonst nur Fliegen in ihren Klebefallen. Seine eingegliederten Schützlinge aus längerfristig geplanten Durchlaufprogrammen erringen unter seiner Führung Ausbildungen, die manchen ins Unteroffiziers-Programm Einzug nehmen lässt… »Feldwebel«, ein populärer Status, wie seine »Absicherer« sich allesamt schimpfen. Personenschutz oder Leibwachen nennt man solche an anderer Stelle. Bei ihm sortieren sie sich zwischen seinen Dekorierten als Feldwebel ein. Und keiner durchschaut’s, dass selbst seine Schreibkräfte und seine Fahrer Feldwebel sind. Allerdings ist genau dies gar nicht dem Major selbst zu verdanken, sondern seinem Oberleutnant Christian Brüggert, der, seit er hier bei ihm vor gut neun Jahren von der Akademie aufschlug, schlichtweg nicht mehr weiterbefördert werden will. Stur und kratzbürstig wird er, beabsichtigt der Major ihm wieder einmal einen interessanten Posten vorzuschlagen. Er schätzt ihn hoch. Solche fördert man … nun ja, er, der Major, ist mit seinem Adjutanten ja vollends zufrieden und wenn der gute Mann einfach nicht mehr weiterbefördert werden will, nicht mehr verdienen, als er heute schon bekommt, ja, was soll’s? Geht ihn nichts an. Was dessen Motive so genau sind. Er kann ihn bestens gebrauchen. Knapp zwölf Jahre Dienst hat er bereits abgeleistet. Erfahrungen vielerorts gesammelt. Jetzt sitzt er hier. Festgebissen und stur. – Die Frau an seiner Seite heißt Leutnant Ingrid Mätzen und erweist sich seit zwei Jahren als ebenso stur und zäh und er hat es mittlerweile längst aufgegeben, das alles so genau verstehen zu müssen. Selbst seine Schreibtischhengste im Vorzimmer beweisen sich klebrig in ihrer Fassung, insofern sie nur bereit sind, auch noch als Fahrer für ihn oder seine Leutnants zu agieren, sich sonst aber für keinerlei andere Tätigkeit interessieren. Wobei sie erstklassige Schützen sind und an der Stelle als Ausbilder durchaus tauglich wären. Aber das wollen sie allesamt nicht. Dazu müssten sie weiterziehen. Und noch reichlich viele andere Feldwebel verhalten sich ebenso. Aber nur bei ihm. In seiner Einheit. Andernorts sind Feldwebel allemal daran interessiert, weiter aufzusteigen. Bei ihm wirklich nur handverlesen ein paar sehr seltene Exemplare. Merkwürdig! Wie eben vieles in der Welt und auch wiederum ein Punkt, der sein Gefühl, eine ganz eigene Familie mit seinem Offizierskorps für sich aufgebaut zu haben, stärkt. Und das ist wiederum etwas, das bei ihm Wohlgefühl erzeugt. Vier besonders hervorstechende Feldwebel in seinen Stuben sind: Jan-Erik Gärtner, Siegfried Kowalski, Hinrich Seefried und Sten Lietzen. Allesamt ehemalige Straßenkinder, woran er sich stets erinnert, bemerkt er ihre Bockigkeit gegenüber anderen. Aber niemals ihm selbst gegenüber oder seinem Adjutanten oder der befehlsgebenden Frau Leutnant Mätzen, die einfach nur Leutnant Mätzen genannt werden will. Ihren Frauenstatus am liebsten selbst unter den Tisch kehren möchte.
Kurz ergänzt, diese Anwärter, wie man die ehemaligen Durchläufer, nun mit Probevertrag ausgerüstet, ab jetzt betitelt, werden gemeinsam mit den Wehrpflichtigen aus den noch intakten gesellschaftlichen Strukturen der Städte und Gemeinden nochmals Grund-ausgebildet. Wobei sie den anderen nahezu in allem, außer im Hinblick auf Schulbildung in manchen Fällen, voraus sind. Und schneller zum Gefreiten befördert werden, als diese, und mit dieser ersten kleinen Machtstellung sollen sie indes beweisen, dass sie es wert waren, diese Chance zu erhalten. Wer sich bewährt, steigt rasch auf. Denn die Hölle hat er bereits überlebt. Den Himmel zu überzeugen, stellt keine wirklich große Schwierigkeit mehr dar, wenn Ersie nur schafft, auf dem Boden zu bleiben und nicht abzuheben. – Allerdings werden wir akribisch überwacht. Alle »wir«, die hier in der unterdessen riesenhaften Bergischen Kaserne in Hubbelrath im Umland Düsseldorfs zu Hause sind. Unsere Division von gut hundertfünfzig tausend Männern und Frauen unter Befehl von Brigadegeneral Strauß, ergänzt vom Luftwaffenregiment Luftwaffenoberst vonHeidens, mit seinerseits dreißigtausend Mann. Seine Truppe ebenso mit Weiblichkeit ausstaffiert, die ihrerseits Aufmerksamkeit verdient. Dazu addiert sich die Militärpolizei unter Befehl von MP-Major Graditzer mit gut zwanzigtausend Mann, deren Zahl gelegentlich etwas ansteigt, um dann hernach wieder zu schrumpfen, mutmaßt er aus aktuell gegebenem Anlass, Unruhen oder sonstigen Zwist und Unzufriedenheit in unseren Reihen. Was immer wieder mal kurzfristig geschieht. Wohl berechtigt. Genauso hier ein nicht zu übersehender Anteil an adretter Weiblichkeit im Innendienst. Wohlgemerkt in jedweder Einheit ursprüngliche Durchläufer enthalten. Und da diese speziell und sehr gerne für Unruhen sorgen, bezichtigt man sie durch die Bank der Übeltäterschaft. Auch wenn sie gar keine Durchläufer mehr sind, längst schon friedlich integriert.
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