
Jörmungandrs Schatten (Teil1), Buch Wandelwelten
In Erinnerung einer dunklen Zeit.
Als das Licht wieder anfing, hell zu leuchten.
Auszug aus Jörmungandrs Schatten. (Aldebaran erzählt) Und klar leitet das Gespräch, der anfangs so erquickliche Vortrag mit Nachbemerkung, eine direkte Kursänderung ein. Wie von mir herbeigesehnt. Solange lüstern ersonnen, durchwoben von kühnen Gedanken, wie ich die eine oder andere eher unbedeutende Frage noch dazu beantwortet bekommen könnte? Ja, juchhe! Es ist so weit! Alaniij-Welt, wir kommen! Endlich! – Wie stellt man sich den Anfang seines größten Abenteuers vor? Nun, ich wurde überrascht. Hatte mir wahrlich viele Szenarien vorgestellt, aber dann doch nicht das, was uns erwartete, als wir eintraten. In eine Schattenwelt. Eine nicht existente Scheibe einer scheibenfreien Existenz. – Es war dunkel. Was heißt dunkel? Stockfinstere Nacht würde kaum umschreiben, wie finster und ich glaubte im ersten Moment, meine letzte Handlung hätte das Licht ausgelöscht. Aber, so einfach war es nicht. Es war kein Nebel, keine Mauer, die wir hinter uns ertasteten. Nur umgebende Feuchtigkeit und immens viel davon. Soviel, dass ich Nasires Hand gerade noch zu greifen bekam, bevor er in den See fallen konnte. Das Ufer, auf dem wir wohl standen, war nur sehr nüchtern betrachtet existent. Mehr für unser Gefühl vorhanden, denn elementar. – Wir waren am Ursprung einer Wandelburg angelangt. Am ersten Tropfen Wasser, der die Quelle nährt. Der tief reichende Süßwassersee, der die Wandelburg fruchtbar hält und ihr die Chance auf beliebige Wahl seiner Klimazone bietet, die man sich wünscht … ein Zaubersee, kein realer. Klar. Wie, dass diese Ebene der Welt letztlich nicht auf der Erde liegt und doch von ihr aus betreten werden kann. – Ob einer der Croixs schonmal hier unten war? Sich diesen Ort vorstellen könnte? Ich vermute, dass nicht. Vermute »nein« als Antwort. Aber wir waren jetzt hier. Und gemeinsam angelangt. Ein Glück! – Mein letzter Gedanke in meinem letzten Schritt in den Nebeln war, dass ich Nasire unbedingt berühren muss, will ich ihn nicht verlieren und ich hatte so rasch meinen Arm um seine Hüfte gelegt, wie wohl sonst um Milanos, wenn seine instabile Seite einzuknicken droht. Was sie häufig tut. Und ich darum trainiert bin, schnell und direkt zu reagieren. Sofort seine Hüfte stabil zu umschlingen und gleichzeitig meine Hand in seinen Gürtel zu krallen. Ergänzt um meine andere Hand, die sich seine nächstliegende greift, kann ich Nasire daran hindern in den See zu stürzen. Somit ist alles für etwas tauglich, was man im Laufe seines Lebens oder Todes dazulernt. Irgendwann erweist es sich als schicksalsträchtig. Egal, wie unbedeutend es auch sein mag. Bezüglich Milanos Gesundheit ist es nämlich mehr kontraproduktiv, denn förderlich … gut, er sieht nicht glücklich aus, wenn seine Seite nachgibt, ihn einknicken lässt. Aber, lasse ich es zu, greife nicht ein, stärkt sich seine andere Seite darin, ihn abfangen zu können. Was sich im Laufe der Jahre als nützlich erwies. Dass ihn keiner als Kind auffing. Deshalb lebt er noch. Darum stürzt er nie wirklich schlimm … wäre immer schon solcher, wie ich, da gewesen, würde es anders aussehen. Nun, das weiß ich und vergesse es dennoch sofort, erhasche ich eine Chance, ihm die Peinlichkeit des Sturzes zu ersparen. Das Gleiche tat ich bei Napoli und musste mir dieselben Strafpredigten meines zuständigen El-Bachirs anhören. Und ja, wahrscheinlich haben beide Genannten im Falle meiner Geliebten recht! Aber dadurch, dass ich dann doch selbst entscheide, kann ich jetzt meinen Sohn retten. Irgendwie weiß ich sicher, diesen Sturz ins Wasser hätte er nicht überlebt. Genauso, wie ich sicher weiß, hätte ich ihn nicht so fest im Arm gehalten, als wir von den Nebeln in die Schattenburg hinüberglitten, wäre er jetzt ebenfalls tot. Wäre im Gestein der Felswände steckengeblieben … woher ich es weiß? – Loki! Er muss es sein, der mich führt. Also, gut, Feriz, nenne ihn Mithras, wenn es dir lieber ist. Aber es handelt sich um dieselbe Person. Der dunkle Hævoq in den Nebeln mit seinem Äffchen auf der Schulter, der meinen Sohn zu mir nachhause schickte, ihn nicht in den Nebeln in die nächste Daseinsebene hinübergleiten ließ. Das heißt, Loki ist derjenige, der meinen Sohn im Tode die zweite Chance schenkte? Wobei ich überzeugt bin, dass er nichts mit den anderen Beschenkten zu schaffen hat. Nur Nasire erhielt diese Chance über ihn. – Was sich alles für Fragen klären, steht man mitten im kalten nassen Nichts am Rande eines tiefen, tödlichen Gewässers und nur die Feuchtigkeit scheint echt und vorhanden zu sein, alles andere nur reine Illusion? Und dennoch tödlich, begegnet man dieser Suggestivmacht respektlos, negiert sie gar. Was normal meine Antwort auf die nächste Frage gewesen wäre, wäre mir nicht soeben Loki durch den Kopf gespukt. Loki, der mich an sich erinnert und mir damit zu verstehen gibt, dass es jetzt gerade darum geht, meinen eigenen Schatten zu überwinden. Meine eigene eingeschränkte Sichtweise zu erweitern. Mich für die Möglichkeit selbst aufgeschlossen zu zeigen … denn ich bin hier nicht der Herr, sondern nur ein ungebetener Gast an seiner Hintertür.

Wirksam! Sich rechtzeitig daran zu erinnern, wer man tatsächlich noch immer nur ist. Ein bloßer Mensch. Umgeben von einer mystisch erweiterten Existenz. Von Illusion, die bereit ist, sich deiner Fantasie anzupassen, sendest du die richtigen Gedanken voraus, schenkst den Herren der Welt die Aufmerksamkeit, die sie milde stimmt, dir gewogen sein lässt. Ich wünsche mir also, meinen Sohn fest umklammert haltend, in einen von außen versperrten Lagerraum der Burg zu gelangen und wusch, schon sind wir dort! Genau da, wo man sich hin wünschen wollte, würde man von bohrendem Hunger drangsaliert. Mann, sieht das alles lecker aus, was ich da vor mir sehe! – Nasire zuckt etwas zusammen. Hat wohl nicht damit gerechnet, dass dieser freie Ritt, ohne Pferd, durchs Universum, einfach so weitergeht. Ohne, dass wir uns dafür auch nur bewegen müssen … was ich hierbei dazulerne? Dass die Nebel den Weg in die nächste Daseinsebene bieten, die Seelen von der einen Welt in die nächste weitertransportieren und dass Loki dieselben mythischen Wege nutzt, seinen Job auf Erden zu erfüllen. Sie zu beschützen. Die Erde samt ihrer Kinder. Der Lebenden und wohl genauso der Toten im Ausnahmefall. Denn er half uns und wir sind Tote. Eigentlich, logisch betrachtet, sollten wir nicht mehr seinem Einflussbereich unterliegen? Wenigstens nicht für normal. Aber, was bedeutet das schon in solchem Moment? Normal? Was ist das hier? Normal sicherlich doch nicht. Eine Zwischenebene, in der Tote einfach so weiterleben, untersteht wohl kaum solch strenger Gesetzmäßigkeit, wie andere es hoffentlich tun? Falls etwas, das ich gelernt habe, stimmen sollte? Simple Regeln der Wissenschaft, meine ich, dass beispielsweise eins und eins aufaddiert zwei ergibt? Und, dass man im Regelfall abwärts stürzt, weil die Erdanziehung einen am Mutterboden festzurrt? Ändert sich die Stabilität, dann mit ihr die Standfeste und man stürzt ab. Doch logisch?
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