
Schröderberg (Teil1), Buch Wandelwelten
Auf der Suche nach dem nächsten Abzweig.
Denn der Weg ist schmal.
Auszug aus Schröderberg. Jolina SaintClure ist von den Inseln zur Stippvisite aufs Festland gereist. Nach Bruchsal im nördlichen Raum Karlsruhes. In das ehemalige Haus Professor Doktor Michael Böhnings, das für sie jederzeit offensteht. Ansonsten ist die halbe Rheinebene für sie gesperrt, genauso, wie fast der gesamte Nordschwarzwald, der mit seinen kleinen Tälern und dichten Wäldern zu viel Unterschlupf bieten könnte. Ihr dabei helfen, eine Gegenoffensive zu starten … einen Umsturz herbeizuführen. Seit ihrem Rücktritt als Kapitän und Anführer der Sulfier spielt sich ihr Leben deutlich mehr im Stillen und beschaulichen Hintergrund ab, als ihr lieb sein könnte. Frey Moeller erwischt sie eiskalt, als er sie vom Thron runterschubst und die Welt – ihre Welt – von Grund auf verändert. Alles zusammen verläuft nun weniger gewalttätig, mit deutlich weniger klar definierten Feindbildern. Es gibt erschreckend viel Außenkontakt zu Nichttoten, mehr, als es jemals zuvor für ihre Geschichte denkbar war. Unwahrscheinlich viele Freunde und eng verbundene Mitstreiter der umgebenden Welt schließen sich an. Schon dadurch bedingt muss alles zusammen weniger mordlustig, weniger blutig, weniger ausschweifend ablaufen. Man muss, als Toter lernen auf die Lebenden Rücksicht zu nehmen. Ihre Interessen bei allen Begegnungen im Auge behalten. Sogar der Sex wird reglementiert, streng konditioniert und nochmals strenger überwacht. Damit langweilt Frey Moeller so manchen unter ihnen. Viele betrachten es als einengend, als unbequemes Korsett, in das man sie zwängt. Gerade das Thema Lasterhaftigkeit erlebte bisher in Freys Umfeld doch geradezu Glanzpunkte. Aber jetzt, mit all diesen Neuen um sie und auch noch seinem schnurrigen Liebeskater Tømmermænd, seinem festen Lebenspartner, der überall mitdiskutieren muss. Genauso Phönix, der Junge. Beide, keine Offiziere und das werden sie sicher auch so schnell nicht werden. Aber dennoch machtvoll in ihrem Burgkonzept eingebunden: Ein Ärgernis für alle, denen es zu ihrer Zeit gut gefiel … Jolina vertritt seit jeher die Ansicht, dass auch der Tod besiegt werden kann. In dem Fall weniger metaphorisch gemeint, denn pragmatisch. Sie beabsichtigt den moralischen Jungen und den genauso lästigen Kater wieder loszuwerden. Ein für alle Mal. Sie fängt an, rebellische Gedanken unter den Schrecken – die schon lange keine mehr sein dürfen – zu nähren. Seit Freys gefundener Frömmigkeit, müssen sie brave, lammfromme Bienen spielen, die zwischen Nektar und anderen Leckereien unterscheiden und nachfragen, sollten sie läufig werden, ob es vertretbar ist, ob es genehmigt werden kann? – Also, mal, ehrlich! – Gerade in diesem Punkt legt sich Frey Moeller, der Däne, selbst übelst enge Handschellen an und zudem untragbar schwere Eisenkugeln an die Füße. Was der vorher selbst alles flachgelegt hat und jetzt macht er einen auf Biedermann und erwartet von seinen Schrecken, die zugehörigen braven Töchter und Söhne selbigen Biedermanns zu mimen! – Jolina sät auf fruchtbarem Boden, als sie ihre Fühler lüstern ausstreckt. Warum sie ausgerechnet unter Freys Schrecken nach Verbündeten sucht? – Das sind die einzigen Mitglieder ihrer toten Welt, die von Freys Anhängern nicht akribisch überwacht werden, wenn sie in der Gegend ist. Frey ist überzeugt, seine Bienen würden ihm niemals in den Rücken fallen. Was ja über viele Jahrhunderte genauso galt. – Jolina besticht somit seine Wärter, bewegt sie dazu, die Seite zu wechseln. Und damit rechnet tatsächlich keiner.

Dem sensiblen Chev ist bewusst, dass nicht alle Schrecken begeistert auf ihre Kursänderung reagieren. Deshalb bezieht er die Nörglerischen öfter in persönliche Gespräche, gegebenenfalls aufkommende trübe Gedanken aufzupolieren. Aber trotz aller Feinfühligkeit und sonst so typischer Weitsicht, kommt er so schnell nicht auf die Idee, der vermisste Junge könnte sich in Bruchsal befinden … wie denn auch? Wie viele Schrecken müsste Jolina da bestechen, die er allesamt übersieht? Blind wie ein Maulwurf müsste er sein? Somit Unsinn, das ist unmöglich! Er, Chev, bekommt schließlich immer alles mit, was im Tal passiert und genauso in Bruchsal. – Welche Stimmung, wo gerade vorherrscht? Wer sich wie und worüber mit irgendwem herumzankt? Klar, da er weiß stets im Detail Bescheid und wenn’s zu nervtötend wird, mischt er sich auch schnell ein oder schickt, wen anderen vor. Jolina SaintClure ist von den Inseln zur Stippvisite aufs Festland gereist. Nach Bruchsal im nördlichen Raum Karlsruhes. In das ehemalige Haus Professor Doktor Michael Böhnings, das für sie jederzeit offensteht. Ansonsten ist die halbe Rheinebene für sie gesperrt, genauso, wie fast der gesamte Nordschwarzwald, der mit seinen kleinen Tälern und dichten Wäldern zu viel Unterschlupf bieten könnte. Ihr dabei helfen, eine Gegenoffensive zu starten … einen Umsturz herbeizuführen.

Was auch er vollkommen übersieht, ist eine unzufriedene Biene, die sie auch noch unvorsichtigerweise im Umfeld Connys einsetzen … Pimpernelle. Eine seit jeher enge Freundin von Trübseelchen, die auf jeden Fall sicher auf ihrer Seite mitspielt. Zwar mal offen schräge Kommentare dazu äußert, was man oder auch Frau heutzutage alles nicht mehr darf und dass sie sich Modernität eigentlich nicht so vorgestellt hat, dass stets alles sortiert und geordnet bleiben muss. Sie dachte mehr, Modernität bedeute, dass die Arbeit des Tages für den Einzelnen bequemer wird, dass die Rechte des Einzelnen bessere Beachtung finden, dass das Leben gesamt galanter mit dem Einzelnen spielt? Und nun ja, sie behält wohl in allem Recht. Es wird nur um ein paar weniger bequeme Regeln und Gesetze ergänzt. Damit schützen sich die Rechte der umgebenden Welt besser, nicht bloß ihre eigenen. Was in einer großen Gemeinschaft durchaus Sinn macht. Ja, Chevs Argumente überzeugen, wie stets und Trübseelchen ist nie länger als ein paar wenige Minuten ernsthaft vergrätzt. Da sie es immer wieder einmal deutlich ist – vergrätzt – und dann auch ordentlich über ihre Biedermänner Chev und Frey herziehen muss, merkt sie nicht, dass Pimpernelle, für gesamt gesehen, diese gärende Wut gegen die beiden im Magen herumträgt. Bei ihr wirken Chevs Argumente eher kontraproduktiv, denn anderes. Jedes Mal, glaubt er, sie beschwichtigt zu haben, verstärkt sich ihre tief sitzende, brodelnde Wut und läuft schon, so langsam, in übel, finstersten Hass über. Wobei die größte Wut darin besteht, dass Gowinnyjen unter Schutz gestellt wurden. Nur, wenn einer von denen konkret auf einer Abschussliste steht, darfst du ihn überhaupt noch anfassen. Früher war das genau umgekehrt. Wenn einer auf der Schonliste stand, solltest du ihn in Ruhe lassen. Aber wenn das dann doch nicht ganz klappte, war es dennoch nicht wirklich schlimm. Vielleicht brachte es dir etwas öffentliche Striemen ein … aber was soll’s! Dafür wollten dann hinterher alle, die zugesehen hatten, mit dir ficken. Du wurdest schließlich nackt ausgezogen und die anderen sind doch zumeist Männer. Eine Frau, noch dazu wunderschön, die nackt ausgezogen verprügelt wird! Wer will die hernach nicht trösten? – Laut Pimpernelle war es allein das wert. Aber das gibt es jetzt auch nicht mehr. Keine öffentliche Demütigung und damit auch keine Schlangen an Trostspendern hinterher. Also, nicht einmal mehr in ihrer eigenen Welt wird noch herumgehurt. – In Frey Moellers direktem Umfeld lustwandelte man in einer niemals endenden vulgär-orgastischen Orgie, um am nächsten Tag eilfertig in die nächste Schlacht loszuziehen … wer Freund oder Feind ist, stand in Stein gemeißelt fest. Dazu wurden sie wie eine Armee gedrillt, mit klarer Befehlskette, die jeder akzeptierte. Gleiches galt für ihre Struktur, die sich klar und erkennbar äußerte. – Am 04-07-1970 wurden sie dann mit einem Schlag halbseiden aufgelöst, neu zugeteilt und gruppiert. Aber dann doch nicht ganz und alles ist seitdem peinlich weich und glitschig, alles nur noch ein fragwürdiges Wischiwaschi. Es fehlt Klarheit in allem … ihr stolzer, unabhängiger Anführer wird zum Burgherrn der Sulfier erklärt. Jolina von der Spitze entlassen … seitdem fehlt die starke Hand, die bereit ist eindrucksvoll zu sein. Gegebenenfalls kompromisslos und erbarmungslos zuzuschlagen! Um die Wahrheit ihrer Stärke begreifbar zu machen. Der Däne äußert sich ab da gänzlich anders als davor. Wo sein Widerstand gegen die Führung wohl den Hauptteil seiner Antriebskraft lieferte? – Die Quelle ist versiegt! – Der Brunnen, ausgetrocknet. Bislang wagte absolut keiner irgendetwas an ihm auszusetzen oder gar noch zu bezweifeln … aber jetzt? – Die meisten von ihnen leben schon ewig auf der rollenden Kugel als Bewohner ihrer besonderen Schattenwelt. Und urplötzlich ändern sich sämtliche Regeln, die, solange stabil blieben? – Man hat sich einfach daran gewöhnt, dass es ist, wie es ist. Schlichtweg mangelt es ihnen an klarer Abgrenzung zu anderen Sichtweisen, an Bedeutung, Reinheit und Klarheit ihrer eigenen Welt.
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