
Jörmungandrs Schatten (Teil1), Buch Wandelwelten
In Erinnerung einer dunklen Zeit.
Als das Licht wieder anfing, hell zu leuchten.
Auszug aus Jörmungandrs Schatten. (Aldebaran erzählt) So befreiend zu merken, dass du dein altes Format zurückerlangt hast. Weil ich Eigendynamik bewies. Die Tatsache, mich nicht vom Fleck rühren zu wollen, kostete mich fast mein Gesicht. Ein Glück erkannte ich es noch rechtzeitig genug. Plötzlich träumte ich auch wieder. Mithras weilte wieder spürbar zuverlässig an meiner Seite. Wachte über meine Gedanken, stärkte meinen Willen, verlieh meinem Antlitz diesen Glanz, den du benötigst, dass man dir Großes zutraut … wir lagerten südlich des Schwarzen Meeres, das in der Alten Welt Vreemarrs Schattenmeer hieß. Warum? Gute Frage. Mythisch betrachtet, schien der Name gleichsam Abstandshalter zu installieren. Das Meer vor neugierigem Blick abzuschirmen. Herauszufinden, warum das so ist, hatte mich zu Lebzeiten Unsummen gekostet, so viel Zeit verschlungen, die man sich kaum auszumalen vermag … weiß man, wie wenig Zeit mir im Lebenddasein blieb. Ja, Vreemarr verbriet seit jeher mehr als genug Ressourcen. Deshalb war ich wohl im Tode so wenig erfreut, herauszufinden, dass es genauso weitergehen soll. Wo ich die Wüste für mich als Eldorado entdeckt hatte? Eine Oase, in der ich glücklich sein durfte. – Eine Frage von vielen aus jener Zeit, die mir nie aus der Erinnerung glitt: Wie findet man Wandelwelten? Sogenannte Schattenburgen in einer Parallelschneise der Zeit an unsere Welt angeschmiegt. Wie? Keine Ahnung. Warum? Wohl eine Art Absicherung seitens der Götterwelt. – Um die natürliche Entwicklung nicht zu gefährden? Ist jedenfalls meine Erklärung, falls ich milde gestimmt bin. – Von Parallelwelten, im mystischen Nirwana, wird überall in alten Schriften gemunkelt, manchmal verwegen herumspekuliert. Wie man seit jeher nach Schätzen gräbt. Immerzu neue wilde Theorien aufstellt, wo sie versteckt sein könnten. Hier läuft es nochmals verborgener ab. Denn diese Schätze werden in der kultivierten Gesellschaft von besorgten Kirchenvätern als unheilig, als zutiefst finster und satanistisch klassifiziert und du bekommst rasch Schwierigkeiten, sollte man Beweise bei dir auftun, dass du tatsächlich in solch schwarzmagischem Erdreich herumstocherst … es wird also niemals direkt ausgesprochen. In keiner alten Aufzeichnung. Falls es solche Mal gab, wurden sie längstens verbannt. – Du spürst mehr die unbestimmte Botschaft zwischen den Zeilen, die du entzifferst, als dass du sie im Klartext lesen könntest. So, als würde dein Geist, gefüttert mit dem Geist der alten Überlieferung von Trivialitäten, die du im historischen Zusammenhang zu verstehen suchst, selbsttätig weiter philosophieren. Darüber, was Leute, die solchen Nonsens beflissentlich notierten und sorgsam archivierten, wohl sonst noch als wichtig deklarierten? Und dabei stößt du unbemerkte Türen auf, nimmst Einblick in versteckte Kammern, die für andere verborgen bleiben … – wie diese Spiegelwelten heißen? Ob sie noch heute existieren? Davon gehe ich in jedem Fall aus. Direkt hier am Schattenmeer soll es sogar drei, dicht beieinander, geben. Deshalb wohl der imaginäre Abstandshalter, den du spürst, gelangst du mit Forscherlaune nach hierher … — von einer Burg Löwenstein las ich in gänzlich anderem Kontext. Über Kräuterwissen des fahrenden Volks wurde da fabuliert, leider nicht wirklich so konkret, dass es neue Erkenntnisse mitteilen konnte. Dann leitete es auch rasch wieder über zu Hexen- und Satansdramatik, das lästige Steckenpferd der christlichen Kirche seit vielen Jahren. Tragisch, idiotisch, brüskierend für Forscherseelen. Ärgerlich, Geld verschwendet zu haben, dachte ich, und legte es beinahe zur Seite. Als ich ganz am Rande den Begriff Schwarzbär entdeckte … man berichtete, dass an jenem verwunschenen Ort solche zuhause wären. Ebenda, wo Hexen sich im fahrenden Volk verstecken. Als besonders aggressiv und streitsüchtig galten sie. Aha, also Konare. Die ich als Prügelbären klassifiziere. In Schlesien war das. Bedauerlicherweise nichts Näheres darüber, wo genau … Vampire, die Königlichen im Xandewvolk, die Elitestaffel dieser mystischen Schöpfungen, soll’n in den Karpaten ansässig sein. Angeblich in den hohen Bergen, ganz weit hinten. An anderer Stelle aber heißt es, im Pannonischen Becken. Somit in der Karpatischen Ebene. Sicherlich nicht hoch gelegen, im Gegenteil. – Ja und die Wölfe, die sollen an der Oberen Wolga leben. Innerhalb eines Gebiets, wo ganz Kastilien reinpassen könnte, so ewig lang, wie dieser Fluss nun mal ist und die Begrifflichkeit Obere Wolga gilt … die Myrmidons dagegen mutmaßt man im nördlichen Griechenland. Auch nicht nur ein kleinerer Fixpunkt, den man abzusuchen hat … nun kommt die Zeit, dass ich dies kann! – Ich erreiche diese Zielhäfen meiner Begierde, kann vor Ort ungeniert forschen und »buddeln« gehen, in Gegenden, wo Legenden kursieren, womit sich meine schriftlichen Aufzeichnungen seit zig Jahren beschäftigen … und das Geheimnis des Schattenmeers erforschen … herausfinden, warum man hier nicht allzu neugierig sein sollte. Allein das. – Ich könnte lauthals jubilieren. Wir stehen quasi direkt davor und endlich hindern mich keine Familienzwiste mehr, auf die Pirsch zu gehen. Und ja, ich habe auch wieder einen eng vertrauten El-Bachir an meiner Seite. Unsere Bande sind zwar erst frisch geknüpft, lange nicht so vertraut, wie mit dem Vater, stehen jedoch stabil. Ich fühle mich von Wasif verstanden … Schwarzbären sehen sich nicht als Feinde an. Im Gegenteil. Wahren somit vorsorglich Abstand, dass es auch so bleiben möge. Im Falle der mir vertrauten Lenäeer und der benachbarten Alaniij, selbige hier am Schattenmeer, sollen sogar freundschaftliche Bande existieren … so viel verriet mir im Anfang El Bachir. Leider nicht viel mehr. Er merkte rasch, dass ich gewillt bin, es näher zu erforschen. Was wiederum nicht seinen Zuspruch fand und eben drum erklärt, warum er letztlich – wo ich mich gar nicht mehr vorwärtsbewegen möchte – selbsttätig die Flucht ergreift. Sich ein Betätigungsfeld sucht, das ihn aus Konflikten mit anderen Schwarzbär-Kolonien raushält. Was nicht für seine Söhne gilt, die bei mir bleiben. Sie wurden als Yolliver geboren. Allesamt. Keiner von ihnen lebte je in einer Wandelburg. Kennt gar einen Namen, eine Ortsbezeichnung aus jener Welt. Weiß nichts Näheres über seine Ursprungswelt und kann mir demnach nichts berichten, was ich nicht erfahren darf. Zumindest nicht von ihm. Dem Yolliver, der keinesfalls sein Volk verraten sehen möchte.

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