* * * Der gelebte Traum * * *
Schwarzbär Blau (Teil1), Buch Wandelwelten
In tiefer Verbundenheit zu alten Steinen.
Vom Geist alter Erinnerung verführt.
Auszug aus Schwarzbär Blau. Sie fahren nach Wildgutach im Südschwarzwald, ungefähr auf der Höhe Freiburgs liegend, aber tief drinnen im dichten Tannenwald. »Schatzhauser im grünen Tannenwald, bist schon viel hundert Jahre alt. Dir gehört all Land, wo Tannen stehn – lässt dich nur Sonntagskindern sehn.« – Nun, das Glasmännlein könnte sich ihnen tatsächlich zeigen. Sind sie doch beide geborene Sonntagskinder, wie gefordert. »Das kalte Herz«, das Märchen von Wilhelm Hauff, das liebte er schon immer. Rosalie Offel, ihre Geschichtenerzählerin, erzählte ihm so oft davon, dass es schon fast das Allererste war, das er sich mit neu erworbenem Lesewissen reinziehen musste. Damals war er fünf Jahre alt und wahrscheinlich schon auch ein niedlicher Bub und Rosalie amüsierte sich köstlich und streichelte und kraulte ihn pausenlos. Ganz liebevoll, so wie es ihre Art war. Genauso wie er es jetzt mit Leo tut. Schon immer fühlte er, dass Rosalie ihn wie einen eigenen Sohn geliebt hat, aber in solchen Momenten wird ihm erst klar, wie recht er damit hat.
Das kalte Herz (Wilhelm Hauff). In den Tiefen des Schwarzwaldes, bei den Kohlenmeilern, lebt Peter Munk, ein junger Köhler, der überall als armer und schmutziger Kohlenmunk-Peter bekannt ist. Zurückgezogen wohnt er mit seiner Mutter in einer kleinen Waldhütte. Das Schwelgen und Prassen im Wirtshaus kann er sich nicht leisten. Als er eines Tages, dem Jubel und Getöse folgend, doch in die Wirtsstube tritt, wird er von den betrunkenen Gästen ausgelacht und verhöhnt. So kommt es, dass er immer mehr von Geld und Ansehen träumt. Als er die schöne Lisbeth zur Frau nehmen will, schmerzt ihn seine Armut noch mehr. Nun hofft er auf eine alte Überlieferung, die besagt, dass ein Glasmännchen tief im Wald haust und einem Sonntagskind drei Wünsche erfüllt, wenn es den folgenden Vers aufsagt: »Schatzhauser im grünen Tannenwald. Bist schon viel hundert Jahre alt. Dir gehört all Land, wo Tannen stehn. Lässt dich nur Sonntagskindern sehn.« – Kohlenmunk-Peter begibt sich auf die Suche nach dem Schatzhauser in den tiefen Wald. Dieser erfüllt ihm zunächst zwei Wünsche: Besser tanzen zu können als der Tanzbodenkönig der Gegend und immer genauso viel Geld im Wirtshaus in den Taschen zu haben, wie der reiche Ezechiel, verbunden mit einer eigenen Glashütte. Das Glasmännlein sagt ihm alles Gewünschte zu, kritisiert aber, er habe nicht mit Bedacht gewählt. Beim Würfelspiel im Wirtshaus gegen den Geschäftsmann Ezechiel gewinnt Peter nach einer Weile alles Geld. Als er gehen will, bittet Ezechiel, ihm ein paar Taler zum Weiterspielen zu leihen. Er kann einfach nicht glauben, von einem armen Schlucker geschlagen worden zu sein. Peter stimmt zu, stellt jedoch fest, dass seine Taschen leer sind. – Plötzlich fällt ihm wieder ein, dass er sich vom Glasmännlein im Tannenwald ja gewünscht hat, genauso viel Geld in den Taschen zu haben wie Ezechiel im Wirtshaus. Als er seine leeren Taschen lachend vorzeigt, wird er als Betrüger hinausgeworfen. Wütend auf den Schatzhauser, rennt der Peter in den Tannenwald, um diesmal den Holländermichel aufzusuchen. Einen Riesen, mit einem Glasauge und einer großen Narbe darüber, von dem erzählt wird, dass er die Herzen der Menschen stehle und durch einen Stein ersetze. So verspricht er Peter Reichtum und Ansehen im Tausch gegen sein Herz. Peter willigt ein. Das kalte Herz macht ihn unempfindlich gegen jegliches Gefühl – kein Schmerz, keine Angst, keine Liebe. Nach kurzer Zeit hat er nur noch Geld und Geschäft im Kopf und verjagt nun selbst die Armen, sieht er sie beim Betteln. Immer gieriger werdend, erschlägt Peter eines Tages seine Lisbeth, da sie dem als alten schwachen Mann verkleideten Glasmännlein, der schwer zu tragen hat und frierend an der Tür steht, aus Gutmütigkeit Einlass gewährt und Wein anbietet. Erst in diesem Augenblick wird dem Kohlenmunk-Peter klar, was aus ihm geworden ist. Er besinnt sich darauf, wer er einst war und wie sehr er seine Lisbeth geliebt hat. – Wieder sucht er das Glasmännchen im Tannendickicht auf und hofft auf seinen letzten Wunsch. Schatzhauser verweigert ihm diesen, solange er das Herz aus Stein hat, da er sich lieber hätte Verstand wünschen sollen. Mit einer List bekommt Peter vom Holländermichel sein Herz zurück: Er behauptet vor dem Riesen, sein Herz noch zu haben und somit von ihm betrogen worden zu sein. Als Beweis solle der Riese ihm sein Herz wiedergeben, damit er den Unterschied spüren kann. Empört von diesem Vorwurf stimmt der Holländermichel zu und Peter flieht mit seinem Herz. Jetzt, wo Peter wieder fühlen kann, überkommt ihn der Tod seiner Frau mit Schmerz und Reue. Das Glasmännlein lobt diesen guten Kern in ihm und gewährt seinen letzten Wunsch, alles rückgängig zu machen. Kurz danach hört Peter eine bekannte Stimme, die nach ihm ruft. Als er sich umsieht, kann er von Weitem seine Lisbeth erkennen. Zusammen gehen beide Hand in Hand ihrer Zukunft entgegen.
Mit diesem wohlmeinenden Märchen im Herzen, erlebt Volker Saalfeldt seine frühen Tage, die ersten zehn Jahre noch ohne Leo Greiff, dann mit ihm zusammen. Beide bemessen Liebe und Mitgefühl als wichtiger und edler, denn Geld und Macht. Sie ziehen die kleinen, schlichten, die unscheinbaren Dinge, den großen reizvollen vor. Immer im Gedanken an den unglücklichen Kohlenmunk-Peter, der zwar reich und mächtig wurde, aber arm im Inneren blieb, nichts fühlen konnte und deshalb auch nicht glücklich werden. Wahres Glück fühlt man allein im Herzen, nirgendwo anders. Es fühlt sich warm und freundlich an … wie die Hand seines Freundes Leo, neben dem er sitzt. – Als Leo diesen schrecklichen Albtraum durchlebte, war er umgeben von eisiger Kälte. Es ängstigt und friert Volker noch immer, muss er nur daran denken und darum versucht er sich abzulenken. – Im Spaß suchten sie früher oft nach der sagenumwobenen Tanne, vor die man sich stellen muss, um den Spruch aufzusagen. Beide waren stets überzeugt, dass man nur drei gute Wünsche äußern müsste und alles würde gut ausgehen. Aber die passende Tanne fanden sie nie … wobei da, wo sie jetzt hinfahren, durchaus passende herumstehen? Alt und eindrucksvoll muss er sein, dieser besondere Tannenbaum … wer weiß, vielleicht sind sie ja diesmal erfolgreich? Jetzt, wo sie erwachsen und bereits erfahren sind? Sich vielleicht auch schon in dem einen oder anderen Ding im Leben bewähren konnten? – Volker war stets der geborene, überzeugte Optimist und, nebenbei bemerkt, auch ein romantischer Träumer, durch und durch. Wer ihn je näher kennenlernt, weiß es zu schätzen. — Seinem Freund Wolfgang erzählte er im fernen Australien von ihrer langjährigen Suche nach diesem magischen Tannenbaum. Und auch, sollte er sich erneut zurückziehen wollen, dass er sein Abtauchen nutzen würde, die Tannen im Simonswäldertal gründlicher zu betrachten. Denn hier musste dieser magische Ort liegen. Auch den Ortsnamen Wildgutach erwähnte er – wohlweislich. – Somit hofft er nun, dass sich der Freund erinnert, trifft er nachmittags ein. Sonst weiß nämlich wirklich keiner, wo sie die nächste Zeit stecken werden. Er sorgt sich, Gerda könnte es den Betroffenen aus ihrem Gedächtnis ablesen. Von Wolfgang aber weiß sie nichts. Gar nichts. Und Lennard wird erkennen, was Wolfgang an Wissen in sich trägt und dies im Notfall nutzen können. Er gibt nicht einmal Leos oder seinen eigenen Eltern Bescheid und auch vom Projektteam kriegt es nur mit, wer gerade im Luisengraben-8 zugange ist. Und nicht allzu sehr gedanklich vertieft. Denn das ist – bei ihren beengten Wohnverhältnissen –, doch die Grundlage, dass was Vernünftiges herauskommen kann? – Dass sie mit ihren Frauen und Kindern und Rolf, dem Arzt und Leos Hund wegfahren, dass Leo sich erholen kann. Denn diesen Albtraum um Leos Zusammenbruch, den bekommen leider alle mit und das besorgte Munkeln ist nicht mehr abzustellen.
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