
Hüter des Parks (Teil1), Buch Wandelwelten
In tiefer Liebe zu Wasser.
Vom Geist alter Erinnerung verführt.
Auszug aus Hüter des Parks. Im Wolkenmeer arrangiert, glanzvoll bunt, bezaubernd anmutig und lebendig grün. Umgeben von Nebelschwaden, gleich einem weißgrauem Wattemantel anzusehen. Wild, stürmische Luftwirbeleien, kompakte Eismasse und meterhoher, weißer Schnee. Über einer künstlich erschaffenen Ebene, am Rande, gut erkennbar, aufgesprengte Bergmassen. Ein munterer Bach nutzt die unerwartete Verwandlung seiner Heimat und leitet sich flugs um. Mittendurch – frech, dreist, ungestüm und besitzergreifend – fließt er in weit schwingenden Mäandern für lange Zeit. Bald schon streben ihm andere Gewässer zu. Gemeinsam erwachsen sie zu einem breiten Strom. Seine Förderer taufen ihn lächelnd Llhu, die umgebende, breite Ebene Llhuyanden. Der Grundbaustein einer künftig erhabenen Welt. Angefüllt mit uralter Magie und lebendiger Ursprünglichkeit … ja! Natürlich stecken die Asen dahinter. Wer sonst? Wer, außer ihnen, könnte so verwegen sein, eine unberührte Welt mit seinem grünen Daumen auf solch selbstherrlich-drastische Weise zu berühren? – Damals im Jahre null der Zeitrechnung, als die Alten Götter die Erde betraten, war es Eiszeit. Hehre Pläne für irgendetwas gab es noch keine, genauso wenig Struktur oder Ordnung, definierte Regeln für Raum und Zeit, Leben oder Tod? Nein. Nichts. Alles war sich selbst überlassen. Flexibel, wild, haltlos durcheinandergewirbelt. Es herrschte Chaos. Und dazwischen rohe, erbarmungslose Gewalt. Das Recht des Stärkeren, Listenreichen galt stets, es gab nichts und niemanden, der sich um die Bedürfnisse Schwächerer sorgte. Das Leben schenkte, blühte und gebar fleißig und der Tod nahm es den Lebenden behände wieder weg. Einfach so, sollte man meinen? Wie Brüder halt zueinander sind? Mal mehr, mal weniger heftig und derb oder gar rücksichtsvoll. Egal. Ein unstetes Hin und Her, Vor und Zurück und nach seitwärts Ausbrechen, ein munteres Spiel, das sich beständig nach der nächsten Sequenz verzehrt und nach neuer List und Laune giert. – Das Schicksal indes nahm seinen Lauf und betrachtete diese Entwicklung als ihr Recht zu bestimmen, was sein soll und/oder kann? Wer sollte sie hindern? – Nun, am Rande bemerkt, diese »Sie« ist nicht ganz im herkömmlichen Sinne gesehen eine »Sie«, eigentlich mehr ein »Es«, wie es der Artikel besagen will – das Schicksal … Mutter Erde hat bei ihrer Geburt dominant entschieden, dass »Es« eine »Sie« ist. Der Zwilling der Zeit. Die eine wirkliche »Sie« stellt und nicht als Hermaphrodit geboren wurde, wie die Schwester … ist das wohl der Grund für selbige Eigenheit? Wer weiß. – Außer den Ursprünglichen gab es Erdgeister und weitere Zeitlose, deren Ursprung man kaum ergründen könnte, solange existieren sie schon. Andere werden noch geboren. Rein durch Magie wird alles gesteuert, was ist, was geschieht, was für morgen denkbar wird und für heute noch gänzlich ausgeschlossen steht. Der Mensch existierte als solcher noch gar nicht und an Tieren gab es, verglichen mit später, kaum Nennenswertes zu verzeichnen. Nichts von dem, was heute wichtig scheint, täglich dem Menschen neue graue Haare beschert, war zu jener Zeit schon vorhanden. Weder Grenzzäune noch Wachtürme, keine Hoheitsgebiete und Herrschaftsansprüche, keinerlei Wertmaß und Geld. Einzig beherrscht von Mutter Natur, erstrahlte die Erde unschuldig. Gänzlich unberührt von Kunstfertigkeit und Kultur. Für ein Volk wie die Asen ein idealer Ort, sie als neue Heimat Asgard für sich zu definieren, nüchtern zur Sache zu erklären und im gleichen Atemzug zu annektieren. »Sie«, genauer gesagt ab dato »Es«, wirkte wenig attraktiv oder gar einladend, von außen gesehen, und damit die Gefahr nicht übergroß, an dieser Stelle von irgendwem zufällig bemerkt zu werden. An einem unbekannten Ort am Rande und ebenso mittendrin. Unscheinbar in graue Nebelmasse gehüllt. Die Milchstraße, gleichermaßen, ein weitläufiges Terrain. Seitens der Asen seit jeher verschmäht, geradezu als uninteressant befunden und gedanklich zur Seite geschoben. – Sie lieben es, das Sagen zu haben, den großen Boss zu markieren. Aber, keine Chance an dieser Stelle, von außen etwas zu bestimmen. – Es ist einfach nichts zu erkennen! – Dafür müsste man schon mal runtersteigen. Direkt vor Ort nachschauen gehen, worum es sich dreht. Aber auch Götter sind bisweilen etwas faul, träge und selbstgefällig gestimmt. Lieben es mehr den einfachen, bequemen Pfad zu wandeln, als den beschwerlichen. Somit wird die Erde – halt nein, jetzt heißt es Asgard – von ihnen beflissentlich übersehen und großzügig sich selbst überlassen … wobei das wiederum die Anwesenheit von einigen Zeitlosen erklären könnte – von wo sie ursprünglich kamen? – Die Asen an Bord der Maschine suchten jedenfalls im Jahre Null-Asgijahr – so die eigenwillige Bezeichnung ihrer ab da fleißig dokumentierten und archivierten Zeit – einen günstigen Unterschlupf für sich und ihre Begleiter. Allesamt ab dato als Zeres betitelt. Ein großes Heer bärbeißiger Krieger begleitete sie. Das neu benannte Volk der Hævoqs. Zudem ausreichend Bauern und Viehzüchter für ihre künftige Ernte. Ihre Vorräte waren – so gesehen – knapp bemessen, auch wenn sie, die sich selbst betitelnden Alten Götter, hervorragend zeitweilig ohne feste Nahrung auskommen konnten. Geschätzt für vielleicht drei bis fünf Jahre sollte es vorgehalten haben? Jedenfalls wohl für so lange, bis sie das neu bezogene Fleckchen Eis und Schnee entsprechend heimelig gestaltet bekamen. Lange benötigten ihre Landläufer – neu betitelte Kemopes, ihre Sachverständigen – nie, das, was natürlich gegeben ist, zu analysieren und Kompromisse zu finden für Ecken, wo etwas nachgebessert werden muss. Für einen selbstbewussten Zeres, einen Ase Asgards, überhaupt kein Problem. – Wer sich ihrer Flucht zudem in großer Menge anschloss, waren die Tephériie. Ein gar wildes Völkchen, schon rein vom äußeren Erscheinungsbild. Wobei ihr Aussehen wohl das Wildeste an ihnen war und bis heute geblieben ist. Sie selbst, näher betrachtet, erscheinen einem häufig wie treuherzige riesengroße Teddybären, die nur die Flucht ergreifen, sobald jemand versucht ihnen Regeln aufzubürden. Sie sind und waren nochmals versierter darin aus nichts etwas zu erschaffen, das ihnen Überleben möglich macht. Auch sie sind und waren stets karg in ihren Ansprüchen und dazu rastlos und unwahrscheinlich neugierig … sie strömten schon bald in alle Winde aus, die neue Heimat zu erkunden. Indes das Herrschaftsvolk selbst, ab da, als Vakuda bekannt, es vorzog, ihre Kultur und Kraft zu manifestieren. »In Stein zu meißeln«, was es zu sagen gab, wie man es bald schon nennen wird. Wohl, um für sich selbst sicherzustellen, dass man sie nicht versehentlich für Wilde hielt? Was den Tephériie wahrscheinlich nur Recht gewesen wäre. Diese fürwahr lammfrommen Teddybären, im gruftig-wilden Außenbild, bezeichneten die Vakuda – laut Aufzeichnungen – liebend gerne als »Steifbeine, überalterte Götter, die ihren eingestaubten Heiligenschein nicht mehr auffinden können und darum Gesetze erlassen müssen, um nicht, am Ende noch, wie Gewöhnliche dazustehen«. Und ja, genau solches ironisch-kritische Gedöns ist in den Archiven der Wolkenstadt zuhauf abgelegt. Ordentlich katalogisiert. Man lächelte mehr über sie, als dass man vor ihnen erzitterte. Aber Respekt zollte man ihnen ohne Zweifel. Anderes wäre undenkbar.

Die Kriegerschar der Hævoqs wurde von vielen Vakuda ergänzt. Die Königlichen unter den Zeres waren vielseitig begabt. Sie konnten praktisch alles und jedes. In jedwede denkbare Rolle reinschlüpfen und niemals versagten sie. Was anderen Zeresvölkern bisweilen passierte, verließen sie ihr typisches Spielfeld. Deshalb erließen die Vakuda bald Anordnung, dass jeder sich einzufügen habe, in die ihm vorgegebene Rolle laut seiner Geburt. Nur eben sie, die Goldenen, die Glorreichen, durften weiterhin frei darüber entscheiden, was aus ihnen werden sollte … volle Breitseite! Sie riefen den Anfang vom Ende aus, kaum, dass es richtig losging. Einen Zeres für weniger wert als den Nächsten zu befinden, kam gar nicht gut an. Und Diplomatie, gepaart mit Selbstgefälligkeit und Größenwahn, brachte sie da offensichtlich nicht sehr viel weiter. Einzig vielleicht so etwas wie Raffinesse, Fantasie und freier Erfindungsgeist? Begrifflichkeiten, die man sich in ihrer Welt rein als Ausdruck für »wider der Natur«, artifiziell, also künstlich oder abnorm vorstellen wollte. »Könnte je etwas gut sein, das ihnen selbst nicht gegeben ist?« – Unmöglich! – Aber damit wurden sie auf die Mijnns aufmerksam. Halb auf allen Vieren, halb auf zwei Beinen unterwegs, bewiesen sie sich nicht nur als vielseitig begabt, sondern genauso als unerschrocken, ideenreich und unwahrscheinlich gewitzt und klug auf eine Weise, die ihnen fremd war. Ihre uralte Kultur musste schon, solange nichts mehr erfinden, um Lebensumstände aufzubessern? Hernach kompliziert austesten? Gar trickreich improvisieren? Dass sie gar nicht mehr richtig wussten, wie man so etwas anstellt. Also fingen sie an, die Mijnns neugierig zu studieren, dicke Bücher über sie zu schreiben, ganze Bibliotheken zu befüllen. – Parallel gründen sie die Kaste der Wissenschaft, die gelben Ophar und dazu die Kaste der Gelehrten, die blauen Qunaan, um alles, was noch an Wissen existierte, schnellstmöglich archiviert zu bekommen und an andere weiterzureichen. Dass sie ihren Vorteil verlieren könnten, die Klügsten zu sein, erschreckte sie zutiefst. – Man notierte alles und jedes, was es an Ungewöhnlichem in der neuen Heimat zu sehen gab. Und eigentlich war alles an diesem Ort ungewöhnlich. Von den Mijnns angefangen, über Flüsse, Berge und Seen, die sich trotz eiskalter Umgebung nicht in ihrer Natürlichkeit stören ließen. Jedwedes Ding, das sich ihnen in den Weg stellte, schnellstens weggeräumt bekamen oder einen alternativen Weg außen herumsuchten. Nichts war logisch begründbar, zumindest nicht so schnell für ihren eingerosteten Verstand. Der die neue gültige Gesetzmäßigkeit der umgebenden Natur erst einmal erfassen musste. Auf ihrem Heimatplaneten folgten selbst Blumen, Sträucher und Bäume ihren Vorgaben – Tiere hatten dann Hunger, wenn es für sie etwas zu essen gab. Nicht früher. Später noch weniger, viele verhungerten. Von selbstherrlichen Besitzern umsorgt, die keine Ahnung um die Begrifflichkeit Hunger kannten. Es war schwierig für sie herauszufinden, wie sich ein gewöhnlich sterbliches Lebewesen damit auseinandersetzt. Also schaffen sie auch dafür Regeln und Gesetze, dass ihren Schützlingen nichts geschehen möge, nur weil sie deren Not nicht nachempfinden konnten. – Blume, Baum und Strauch in dieser Form, wie auf der Erde, gab es bei ihnen zu Hause nicht, aber vergleichbares. Sie nannten es allesamt Grünzeug, auch wenn einiges darunter alles andere als Grün war. »Es wächst und benötigt Wasser, in den meisten Fällen zudem Luft.« – Mittels dieser Worte wurde Grünzeug zu Hause definiert. Also gehören wohl auch die Tiere zum Grünzeug? – Nein. »Die nicht, denn sie verfügen über einen eigenen Willen.« – Die Definition für Lebewesen. – Wobei man sich genau hier streiten könnte? Pflanzen verfügen allemal über eigene Willensstärke, manche mehr und manche weniger. Die Brennnessel beispielsweise verfügt über jede Form von Eigenwilligkeit, die man sonst nur Menschen und besonders dickhäutigen, sturen Tieren zusprechen wollte! Was da schon an Flammenwerfern, Bunsenbrennern, Chemiekeulen und anderen Schrecknissen zum Einsatz kamen – wohlgemerkt erst in jüngster Zeit, kann kaum so schnell in Worte gefasst werden. Auch damals gab es Bärbeißigkeit in der Natur. Und auch sie verfügte über eigenen Verstand. Dennoch entschieden die Vakuda, dass nur der »sichtbare freie Wille« darüber entscheidet, ob du ein Lebendiger bist oder Grünzeug. Eine recht krasse Art, solcherlei Ding festzulegen.
Sie brachten vieles aus ihrer Heimatwelt mit. Nicht bloß Saatgut und besondere Leuchtkraft, die trotz aller erwähnten Kritik, gewaltig beeindrucken konnte. So sahen sie sich beispielsweise in der Lage, alles, was rumkraucht und -flaucht auf Asgard hinter passende Zäune zu sperren … nicht in Bezug auf Tiere und Mijnns, die sie weiterhin fleißig studierten. Nein. Im Fokus standen die Ursprünglichen, die Elementargewalten des Planeten sowie sonstige Erdgeister und andere zeitlose. Die mussten ab da Richtlinien beachten, Grenzen respektieren, durften nicht mehr nach Gutdünken um sich greifen, wonach ihnen der Sinn stand, ihre bisherige Gangart. Und um sich ordentlich Eindruck zu verschaffen, kreierten die Vakuda einen Erlebnispark als Urlaubsziel, zur Belohnung der braven Gesellen, namens Wesenburg und im gleichen Atemzug setzten sie nebendran die Schattenburg. Eine freundlichere Fassung von Arrestzelle, für diejenigen bestimmt, die sich nicht so leicht anpassen wollten. Und schon rasch stellten sich Mitarbeiter aus der Alten Welt zur Verfügung. Was nutzt auch ein Gefängnis ohne Wärter? Und in der Wesenburg benötigt man guten Service, wie überall in der Welt, wenn es gemütlich werden soll … ja! Die Ursprünglichen fingen an, sich für Jobs zu interessieren. Sie wollten aktiv dabei sein, wenn ihre Welt neue Formen annehmen würde, wenn Gerechtigkeit, Sorgfalt und Fairness auf ihr einzog. Wenn Freundschaft, Güte, Loyalität und Liebe geboren wurden. Das wollte keiner verpassen! – Aber recht schnell stand fest, dass die Schattenburg doch eher als erträgliche Buße angesehen wurde und nicht von Übermut abschrecken konnte, was sie sollte. Also wurde ein Endzeitort geschaffen, den keiner jemals freiwillig betreten wollte … und auch nach dorthin wurde ein Tor gelegt, eine Einbahnstraße. Nur zu passieren, wurdest du jobmäßig dazu berufen oder eben verdammt, es zu tun … keine Gnade! – Gibraltar, das Tor nach Helheim. Aber Helheim war nicht nur der Ort der Verdammnis, wie man fast glauben wollte. Nein! Helheim war zudem der Ruheort des Planeten, für all jene, die sich ermüdet zurückziehen wollten. Und auch der Ort der Toten, die dort ebenfalls Ruhe, die Geborgenheit ihrer Familie und genauso alte Kameraden wiederfinden konnten. Falls sie wollten … angeblich bietet Helheim seit jeher ein reichhaltiges Angebot an Möglichkeiten. Der einzige enthaltene Platz darin, wo keiner hingelangen will, verbleibt Kyrnatak. Auch Flammenmeer genannt oder Feuerburg. Die Wächter nannten sich selbst motiviert Náströndiij, was diesem Endzeitplatz den weiteren Beinamen Náströnd bescherte. Klingt reichlich ungemütlich und musste es wohl auch sein, denn ab da funktionierte das vakudische System. Man beachtete ihre Regeln, setzte, wie gefordert, Verstand, Güte, Respekt und Ehrfurcht an Stellen, wo bisher Spieltrieb und Launenhaftigkeit stand. Und die Erdgeister zollten ihnen begeistert Respekt! – Das Leben reagiert fruchtbar, breitet sich großflächig aus und erobert neues Erdreich … die Stunde null ward geschrieben und ab dato dokumentiert. Alles wuchs und gedieh, wie nie zuvor. Bald schon würde die Zeit der reichen Ernte anbrechen, grün und golden würde sie sein. Versprach man ihnen … aber am Weg gab es noch diverse Schwierigkeiten zu überwinden und unzählige Raufereien mit weniger gutwilligem Ursprungsbestand auszufechten. Doch sie wurden fleißig unterstützt und es ging weiterhin aufwärts. Die glorreichen Tage der Vakuda, deren Volk sich Kasten einrichteten, für jedweden unter ihnen angedacht, der kein Wissenschaftler oder Gelehrter sein wollte. Die Kaste der Eloyser, die goldene Kaste, die erstrebenswerteste von allen. Zugehörige zu dieser Burg verfügten über nochmals erhabenere Fähigkeiten, als alle anderen Vakuda nebendran. Ihre Macht wurde über den goldenen Thron bezogen, der ab dato in Vreemarr stand, ihrem Landeplatz, ihrer goldenen Stadt in den Wolken Wolkeraus. Die Menschen kennen diese Welt später als Ljossalfheim.
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