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»Bären, die keine Bären sind.«
29252Asgijahr|Nordrhein-Westfalen zwischen Gummersbach und Düsseldorf, zweite Februarhälfte 1976.
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Die Siebzigerjahre, geprägt von aufmüpfigem Freigeist, geschützt von hohen Mauern mit Wachtürmen, Privatarmeen, Söldnern und Bürgerwehr, zu grellbuntem Polyester auf junger, nackter Haut; korsettbefreite, baumelnde Brüste, Jeans. Reichtum infiltriert ungehemmt die Mittelschicht und löst Rastlosigkeit, blanken Ehrgeiz und Gier flächendeckend aus. Syndikatsbosse spielen mit leutseligen Stadtvätern Tennis wie Golf. Im Gegenzug Peace-Flower-Power und Hare-Krishna – Langhaars in jedem Hautton, Schnauzbärte, Koteletten, Nickelbrillen, Rock-Pop und Disco-Mentalität. Einerseits schreit es nach Befreiung von etablierter Zwanghaftigkeit und Schuldenlast, ja, nach Partylaune! Andererseits heult es nach einfachen Strukturen, klarerem Regelwerk und garantierter Funktionalität. Die Streifenwelt nutzt ferner Korsett wie Miederware, Behäbigkeit oder gar Kurvenlage wegzuretuschieren. Das Einheitswesen findet Nährboden, eliminiert Klassenunterschiede, klammert Individualität aus und hilft jenen, die mit Vielbunt und zu viel Persönlichkeit hadern. Und dann lernt Lobo, ein aufmerksamer, hoch engagierter, neunzehnjähriger Schülerlotse Düsseldorfs, LET-konform aufgezogen und trainiert, seinen ersten Gowinnyjen kennen. Und keine zwei Wochen später heißt es, „na los? Komm schon, trau dich und steig auf.“ Der Schwarzbär direkt vor ihm, der gar kein Schwarzbär ist, klopft einladend auf seine breite Hüfte. Auf einem baumhohen Schwarzbären zu reiten, ist nicht jedermanns Ding, aber Lobo zählt zu den unerschrockenen Geistern. Und wer wollte eine solche Einladung von Baumert ablehnen? Des Bijixs faltenfreier Merlin? Oh, auch Zauberhausen kennt die interessante Geschichte Camelots, der große Magier Merlin ist für sie ein Idol. „Du möchtest deinen Vater kennenlernen? Ich zeige ihn dir. Du musst im Gegenzug nur vertrauen.“ Baumerts vorliegende Sätze – die hätten gewiss vollends ausgereicht, Lobo ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern, auch ganz ohne Magie. Vom Gasthof Falkengau-Thal, nahe bei Gummersbach, geht es schräg links, leicht nördlich, mitten durch die gefühlte Prärie. Tatsächlich dicht besiedelt, mit zig abgesperrten Hochsicherheitszonen, die jetzt gerade – wohl rein optisch – weggezaubert sind? Lobo fühlt sich derweil wie Winnetou auf seiner Iltschi Richtung Düsseldorf reitend, dann dreht Baumert aber urplötzlich scharf nach rechts ab. Rennt ganz bewusst in einem großen Halbkreis ostwärts zurück, aber konsequent auf Nordkurs bleibend. „Ähm?“ Lobo hat so viele Fragen im Schädel, dass er gar nicht recht weiß, mit welcher er anfangen sollte. Schon laufen sie munter in die Bergische Kaserne rein, als gäbe es da keine top Absicherung? »Sie sehen uns nicht«, schießt es Lobo endlich durch den Schädel. Baumerts Mundwinkel lächeln, was Lobo in seinem Rücken spüren kann. Will heißen, er liest seine Gedanken? Sein Ziehvater Falk hat ihm ein einziges Mal von den mystischen Schwarzbären erzählt. Dann niemals wieder. Also hielt es Lobo für eine Märchengeschichte. Aber es war keine gewesen. Die sind genauso wahrhaftig wie die Eiswolken, mit ihren eisblauen Augen, ihrem bezaubernd, glänzendem Haar und dieser auffälligen Schönheit, der sich keiner entziehen kann. Aber der Phyrosier im Falkengau-Thal, der Lobos minderjährige Schwester heiraten möchte, hat sie zuallererst mit hässlichen Brandnarben überzogen? Um sie besser beschützen zu können, behauptet er und dann hat er sich parallel verliebt? Lobo interpretiert es so: Bist du selbst zu toll, bist du wohl froh darum, wenn die andere Seite ein paar Macken zusätzlich mitbringt – so zum Ausgleich? Aber sie ist verdammt noch eins, erst dreizehn! Daran ändert sich auch nichts, wenn man mit einem Schlag weiß, seit wann sie ihre vermaledeiten Blutungen hat. Was er bisher nicht wusste und es auch nicht wissen wollte. Was geht ihn das an? Sie ist das Nesthäkchen der Familie. Die zarte Kleine, jedermanns Liebling und so schützenswert, weil noch so blutjung und darum soll sie es auch bitte schön bleiben. Solange es halt geht. Unter Lobo brummt es vernehmlich, rein als Antwort auf seinen Gedankengang, „das sieht unsere Welt aber komplett anders. Ich rede von den modernen Westvesten – Altervesten, der neue Begriff, an den wir uns gewöhnen müssen.“ Ach, und weil ihr euch so hochmodern wähnt, seid ihr berechtigt, unser Regelwerk zu torpedieren, wie es euch in den Kram passt? „Etwa eure Konventionen? Meinst du die, Lobo? Ihr habt gesellschaftliche Präventionen längst verlassen! Deine Schwester wäre mittlerweile unter Drogen gesetzt, brutal vergewaltigt worden und deine Mutter würde schlimmeres Gift kochen, als bisher in den Industrielaboren? Im festen Glauben, sie könne damit deine Schwester beschützen? Die Unterwelt ist nochmals pragmatischer, wünscht sie etwas zu erlangen. Ihr wärt ihnen auf Gedeih und Verderb in die Hände gefallen.“ Lobos Gedanken kommentieren, »ich wohl nicht mehr«, trübe, »ohne euch wäre ich tot.« „Jawohl“, brummt Baumert, nickend. Normal ist Lobo derjenige, der laut spricht und Baumert denkt nur passgerecht, für Lobo hörbar. Ja, Schwarzbären kommunizieren gedanklich wie stimmlich, je nach Lust und Laune und wühlen genauso ungeniert in den Gedanken anderer, wünschen sie nähere Details. „Schau mal, der Mann dort drüben, der aus dem Seitenausgang schlüpft?“ Die Innenansicht einer Kaserne hatte sich Lobo schlechterdings etwas anders vorgestellt? Sie stehen mitten im asphaltierten Innenhof einer der vielen Areale, die im Sicherheitsabstand zueinander, top abgesichert, nebeneinander errichtet sind und wie einzeln abgeschirmte, kleinere Stadtteile von New York aussehen? Jeweils fünf Häuserblöcke stark? Mit hoher Ummauerung wie Edelviertel im Innenstadtsektor, als könne man auch hier dem nächsten Nachbarn innerhalb seiner Kaserne nur bedingt vertrauen? Der hinterste Gebäudekomplex über die Gesamtfläche gezogen. Locker achthundert bis tausend Meter breit? Jedenfalls elendig hoch. Es gibt offensichtlich Neben- wie Hinterausgänge? Wie es wirkt, stehen hier Panzer neben Jeeps, Motorrädern, Fahrrädern und Lkws auf Parkdecks abgestellt? Wie nett, neben einem Panzer sein Fahrrad einzusortieren? Klar, die muss man genauso unterbringen. Mhm, aber bitte? Solch absurdes Bild – hier mitten in Nordrhein-Westfalen? Er hat eh das Gefühl, in einem Hauptquartier zu stehen? Mittig in einem Krisengebiet, nur typische Kriegsgeräusche fehlen. Bombeneinschlag? Zerbersten von toten wie lebendigen Körpern, ohrenbetäubendes Rattern von Maschinengewehren, Wutschnauben und alles übertönendes Kommando-Herumgebrülle unterschiedlichster Stimmfrequenzen? Keine Entsetzenslaute, Angst- und Hilfeschreie? Keinerlei Todesröcheln? Alles vollkommen friedlich und ruhig. Ein verschlafener Ort? Irreal! Von all dem sollte man insbesondere wissen, hat man bisher nur ein Stückchen weiter in der großen Stadt gelebt? So hoch ist Lobo diese Außenmauer auch keinesfalls vorgekommen. Jetzt schon mächtig, aber doch nicht so arg, dass sie bald dreißigstöckige Gebäude vor seinen Augen verbergen kann? Das ist irre, Baumert will ihn, Lobo, nur richtig wachgerüttelt bekommen, zeigt ihm den Horror, den es vielleicht bald geben könnte? Aber nein, der Schwarzbär, an dem er klammert, wünscht Tatsachen offenzulegen … nur das. Will ihm Wahrheit ins Gesicht pusten, dass er endlich richtig wach und erwachsen wird! War Lobo deshalb gedanklich zu ihrem Nesthäkchen zurückgekehrt, weil er das hier alles gar nicht begreifen möchte? Wie viele Soldaten sind hier um Himmels willen stationiert? Es heißt doch immerzu Hundertfünfzig tausend? Niemals mehr? Die Hälfte davon könnte allein hier in diesem Kasernenviertel untergebracht werden? Nur in diesem einzigen Bataillon?